Künstler Peter Wächtler
Titel OMEN
Aktualisiertes
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Mythen der Persoenlichkeitsbildung, der Charakterfindung, der Verwirklichung einer scheinbar abgeschlossenen Ich-Struktur oder der Leugnung von Zurechnungsfaehigkeit zu Gunsten eines esoterischen Systems aus Projektionen durchziehen den Alltag im Privaten wie im Beruflichen unaufhoerlich. Das Ringen um Normen, Gluecksversprechen und Untergangsdrohungen wird in Fernsehshows erzieherisch wiederholt, vom strafenden Staat sanktioniert, in Arbeitsamtmassnahmen reguliert und im internationalen Produktionsfeld der Unterhaltungsindustrie in seine Extreme gesteigert. In Filmen wird dem taumelnden Alltags-Ich vorgefuehrt, welche Abgruende ihm offen stehen, falls es sich vom sozialen Korrektiv abspaltet. Der Frage nach dem Plot, nach dem Ende der Handlung ist so stetig die Frage nach der Prequel, der Vorsetzung, des Charakters – die Frage nach dessen Ursache. Hierbei entstehen Filme wie „Batman Begins“, „Hannibal Rising“, „Red Dragon “, „Exorzist: The Beginning “, „Carlito’s Way: Rise to Power “ oder die vorgesetzte „Star Wars“ Trilogie 1-3.

Wie wurde Bruce Wayne zu Batman, wie wurde Hannibal Lector zum kannibalischen Killer, stellen beide auf individueller Ebene die Frage, die bei Filmen wie dem Exorzisten bereits sehr viel breiter gefasst wird: wie kommt der Charakter, meist das personifizierte Boese in die Welt? Trauma, Schicksal, Bestimmung, die unterschiedlichen Erklaerungsmuster können den absurden Versuch einer rein persoenlich bedingten Entwicklung nur durch irrationale oder mythische Konstruktionen aufrechterhalten. In den seltensten Faellen wird die gesellschaftliche Universalitaet zum Teil der Erklaerung.

Peter Waechtler verfolgt in seiner Ausstellung „Omen“ den Uebergang der Prequels in esoterische Welterklaerungsmuster, in denen Immateriellem oder Organischem Kraefte zugesprochen werden, die staendig schwanken zwischen dem Versuch eines handlungsfaehigen Weltkonzepts und der Projektion auf ein undurchdringliches und unfassbares Anderes. Dieser Uebergang liegt nicht ausserhalb des Alltags, sondern innerhalb seiner Subszenen, seiner Mythen, auf Esoterikmessen, in Live-Rollenspielwochenenden, im Fantasyladen. Die filmisch geprägten Vorstellungen von Biographie werden nachgebaut, simuliert und als Kernlehren aufgegriffen. Am Ende sollen unbeholfene und ueberforderte Subjekte in konstruierten Situationen, weit von der Stilsicherheit der Vorlagen entfernt, das Versprechen auf Unmittelbarkeit einloesen - oder zumindest die Distanz zum eigenen Tun abbauen, in dem Geister im eigenen Koerper und seinen Handlungen nachgewiesen werden. Drei solcher Situationen werden in den Videos gezeigt.

Die Ausstellung „Omen“ setzt ein Netz aus Hinweisen zusammen, auf die Geschichte Hollywoods, ihre klassischen Genre, Charakterstudien, auf Horror, Mystik auf deren Wiederholung im kleinbuergerlichen Alltag. Der Aktualisierungsraum wird mit einer Stoffwand aufgeteilt, auf und in der Figuren, Fotos und Zeichnungen in unterschiedliche Richtungen verweisen. Im hinteren Bereich laufen drei Videos: das erste und das letzte zeigen zwei Szenen des Live-Rollenspiels “Killer-Game“ dass in einer christlichen Jugendherberge in Hessen initiiert wurde.

Das erste der beiden Videos dokumentiert die initiierte Befragung einer schizophrenen Massenmoerderin in ihrem eigenem, durch den notdürftig umgestalteten Keller symbolisierten, ‚Unterbewussstsein’. An eine ‚Maschine’ angeschlossen, haben die beiden Ermittler Zutritt zu den Traeumen der Moerderin erhalten. Ihre Figur, wie auch ‚die Maschine’ selbst, stehen die im Zentrum des Rollenspiels. Die zweite Szene gibt eine Lagebesprechung der Rollenspieler wieder, die sich bedraengt von Geistern und Gruppenstreitigkeiten in den Raum der ‚Traummaschine’ verbarrikadiert haben und hier die ‚Umpolung’ der Moerderin durch ‚die Maschine’ planen - ihren als Reinigungsprozess verschleierter Tod.

Zwischen den beiden Rollenspielszenen laeuft ein drittes Video, der Mitschnitt eines Vortrags, den der polnische Exorzist Mike P. auf den „Esoterik-Tagen“ im Logenhaus der Berliner Freimaurer zum Thema „Die Fallen der geistig-seelischen Entwicklung und wie man sich davor schuetzt“ hielt. Gestuetzt durch zahlreiche Publikumsnachfragen entwirft er ein System vollstaendiger persoenlicher Determination, in der Freiheit allein auf dem Umgang mit projizierten esoterischen Ursachen beruht. Die Fragenden fuehlen sich von den Geistern Verstorbener verfolgt, die sich mit ihrem Tod nicht abfinden wollen, fast wie ein humanistisches Ziel raet der Vortragende zu einem entschiedenem, bewussten Umgang mit Emotionen, Verstand, Tod und Leben, immer auf der Annahme basierend, dass jegliche Angst allein durch Geister verursacht wird.

Identitaetspraegend ist in allen drei Faellen nicht die Wirklichkeit, sondern ihre Vereinfachung zu einem undurchschaubaren System von Astralkoerpern und Traummaschinen, zu polaren Unterteilungen in psychopathische Abweichung und normierte Obsession, zu kristallinen Symbolen von Natur und Logik, die schließlich zu einem soliden Alltag mit den Prioritaeten „Neubeginn und Unumkehrbarkeit“ verschmelzen.